Uneingeschränktes Gedenken

wochenblatt.pl 9 miesięcy temu
Zdjęcie: Lamsdorf 2024


Am letzten Sonntag im Januar wird in Lamsdorf (Łambinowice) traditionell der Opfer der Oberschlesischen Tragödie gedacht. Auch in diesem Jahr (am 28.01.) organisierte der Verband deutscher Gesellschaften (VdG) wieder eine Andacht in der örtlichen Pfarrkirche mit anschließender Kranzniederlegung auf dem symbolischen Friedhof der Lageropfer.

Während es im Oppelner Land am Samstag vergangener Woche teils heftig stürmte, war es am darauffolgenden Sonntag nahezu windstill, ganz so, als ob auch das Wetter im Gedenken an die furchtbaren Ereignisse vor nunmehr fast 80 Jahren innegehalten hätte. Mehr noch: Pünktlich zum Beginn des Gottesdienstes in Lamsdorf lichtete sich der wolkenverhangene Himmel, und die Sonnenstrahlen tauchten die örtliche Pfarrkirche in ein goldenes Licht – ein Bild, das einen auffälligen Kontrast zur Düsternis und Kälte bildete, die man gemeinhin mit der Oberschlesischen Tragödie in Verbindung bringt.

Andacht in der Lamsdorfer Pfarrkirche
Foto: Lucas Netter

Bereits zum 15. Mal wurde mit der Zeremonie in Lamsdorf an das Schicksal der deutschen Bevölkerung in Schlesien und anderen Regionen im östlichen Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert – an Vertreibungen und Deportationen, an Folter, Vergewaltigungen und Internierungen, an Leid und an Tod. Geleitet wurde die deutschsprachige Andacht in der Kirche St. Maria Magdalena von Bischofsvikar Dr. Peter Tarlinski. Unterstützt wurde er von Diakon Marek Dziony.

Bischofsvikar Dr. Peter Tarlinski leitete die Andacht in Lamsdorf
Foto: Lucas Netter

Ersterer zitierte in seiner Betrachtung aus den Erinnerungen des kürzlich verstorbenen Prälats Wolfgang Globisch, der als Zwölfjähriger die tragischen Geschehnisse in Oberschlesien hautnah miterlebte. „Kriege, Besatzungen, Verschleppungen und Zerstörungen gibt es leider auch heute. Das, was 1945 bis 1946 passierte, das wollen wir nicht. Das, was in der Ukraine und im Heiligen Land geschieht, lehnen wir entschieden ab“, spannte Tarlinksi sodann den Bogen von der unmittelbaren Nachkriegszeit hin zur Gegenwart.

Etwa 80 Menschen nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.
Foto: Lucas Netter

„Mahnmal des Leidens“

Im Anschluss an den Gottesdienst begaben sich die etwa 80 Teilnehmer der Gedenkveranstaltung zum symbolischen Friedhof des Arbeitslagers, wo sie Kränze niederlegten, Kerzen entzündeten, Gebete sprachen und in der Erinnerung an die Opfer der Nachkriegstragödie innehielten.

Von links nach rechts: Józef Swaczyna, Landrat des Kreises Groß Strehlitz, Zuzanna Donath-Kasiura, Vizemarschallin der Woiwodschaft Oppeln, und Peter Herr, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Oppeln, gedenken der Opfer des Arbeitslagers in Lamsdorf.
Foto: Lucas Netter

Unter den Anwesenden war auch Jerzy Rybczyk aus Körnitz (Kórnica), der mit seiner Ehefrau gekommen war. „Ich bin wohl schon das sechste Mal dabei und möchte der Opfer gedenken, die hier gelitten haben. Als ich in den 1980er-Jahren meine Familie im nahegelegenen Ringwitz (Rzymkowice, Anm. d. Red.) besucht habe, haben sie mir von den Gräueltaten hier in Lamsdorf erzählt. So habe ich von dem Nachkriegslager erfahren, noch bevor man offiziell davon sprechen durfte“, so der Körnitzer.

Kranzniederlegung auf dem symbolischen Friedhof der Lageropfer
Foto: Lucas Netter

Der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Oppeln, Peter Herr, bezeichnete das Lager in Lamsdorf derweil als einen „schmerzbeladenen Ort“ und „Mahnmal des Leidens“. In einer kurzen Ansprache sagte er weiter: „Was unsere hier lebenden Landsleute durch Hunger, Demütigung und Krankheit, durch Entrechtung, Zwangsarbeit und Folter erlitten haben und teils noch heute als schmerzliche, nie verheilende Wunden in ihren Herzen und Seelen tragen, erfüllt uns auch heute noch, an diesem Tag und an dieser Stätte, mit Trauer und Schmerz.“

Stilles Gedenken
Foto: Lucas Netter

Zudem betonte er, dass menschliche Täterschuld – in diesem Falle die Verbrechen von deutschen Tätern im Zuge des Zweiten Weltkrieges – stets individuell sei und nie pauschal einem ganzen Volk oder einer Volksgruppe auferlegt werden könne. „Das gibt uns auf, auch an das Leid zu erinnern, das die hier lebenden Deutschen in schrecklicher Weise über sich ergehen lassen mussten, verursacht von Hass, Rachsucht und Grausamkeit der Sieger und ihrer Helfer“, unterstrich der Konsul. Er appellierte an die Versammelten, gemeinsam alles dafür zu tun, „dass Lamsdorf, und das, was zu Lamsdorf führte, sich nie und nirgendwo mehr wiederholt“. Es gelte, „die Erinnerungen der Zeitzeugen zu bewahren, die uns mahnen, dass ähnliches Leid anderen Menschen nicht mehr widerfahren darf.“

Auch auf dem Friedhof wurden Gebete gesprochen.
Foto: Lucas Netter

„Es gibt keine Kollektivschuld“

Auch Zuzanna Donath-Kasiura, Vizemarschallin der Woiwodschaft Oppeln, Konrad Zych, Leiter des Wahlkreisbüros des EU-Abgeordneten Łukasz Kohut, sowie Bernard Gaida, Vizepräsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der FUEN, richteten sich mit einigen Worten an die Versammelten. Letzterer hob hervor, dass die Opfer der Oberschlesischen Tragödie das Schicksal teilten mit vielen anderen Deutschen in Mittel- und Osteuropa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. „Deswegen verwende ich lieber den Begriff ‚Tragödie der Deutschen im Osten‘“, erklärte Gaida. Das Gedenken müsse daher breit sein und über die schlesische Heimat hinausgehen. Man müsse an all jene erinnern, die zwar das Kriegsende erleben durften, nicht aber den Frieden – sei es in Schlesien, im früheren Ostpreußen, in Pommern, in Mähren, in Ungarn oder in Rumänien. Denn das Leid kenne keine Volkszugehörigkeit und Opfer wie auch Täter habe es in jedem Volk gegeben (wobei man nicht über die Proportionen hinwegsehen dürfe).

Gedenken bei Sonnenuntergang
Foto: Lucas Netter

Gaida zitierte zudem den US-amerikanischen Völkerrechtler und Historiker Alfred de Zayas, der einst sagte: „Eine Strafe ohne persönliche Schuld und ohne Verhältnismäßigkeit ist keine Strafe, sondern ein Verbrechen an sich.“ Eine Kollektivschuld gebe es nicht. In diesem Sinne schloss der AGDM-Sprecher seine Ausführungen mit den Worten: „Unser Christentum verlangt, dass wir für alle beten und die Gedenkstunde zum Werkzeug des Friedens und der Eintracht und nicht der Spaltung machen. Gedenken wir uneingeschränkt aller Opfer von Krieg und Gewalt.“

Kränze und Kerzen unter dem Gedenkkreuz
Foto: Lucas Netter

Deportationen aus Oberschlesien in die Sowjetunion

Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung fanden sich die Teilnehmer im Zentralen Museum der Kriegsgefangenen ein, wo sie einem Vortrag des Historikers Dr. Dariusz Węgrzyn vom Schlesischem Zentrum für Freiheit und Solidarität (Śląskie Centrum Wolności i Solidarności) in Kattowitz (Katowice) zum Thema „Internierung – Deportation von Oberschlesiern in sowjetische Gulags im Jahr 1945“ folgten.

Dr. Dariusz Węgrzyn während seines Vortrags
Foto: Lucas Netter

Der Experte berichtete von seinem Forschungsprojekt, an dem er über zehn Jahre lang gearbeitet hat und das 2021 in dem dreibändigen Werk „Księga aresztowanych, internowanych i deportowanych z Górnego Śląska do ZSRR w 1945 roku“ („Buch der Verhaftungen, Internierungen und Deportationen aus Oberschlesien in die UdSSR im Jahr 1945“) resultierte – ein Thema, das überwiegend die Woiwodschaft Schlesien betrifft.

Der Vortrag fand im Zentralen Museum der Kriegsgefangenen statt.
Foto: Lucas Netter

Aus dem Publikum wurden zahlreiche Fragen an Dr. Węgrzyn gestellt, die auf Zeitzeugenaussagen von teilweise bereits verstorbenen Menschen basieren – zum Beispiel jene Frage, ob die Frauen in den sowjetischen Lagern eine konkrete Anzahl an Kindern gebären mussten, um wieder freizukommen. Obwohl der Historiker die Deportationen aus Oberschlesien genaustens studiert hat, sei er auf eine solche Begebenheit bislang noch nicht gestoßen, erklärte er. Er sagte aber auch: „Bei meinen Recherchen zu den Deportationen hörte ich Geschichten, von denen ich dachte, dass sie niemals passieren können – und doch waren sie wahr. Wir unterschätzen solche Aussagen nie, denn sie könnten der Ausgangspunkt für ein wirklich interessantes Vorkommnis sein.“

Die Oberschlesische Tragödie dürfe nicht in Vergessenheit geraten – darüber waren sich alle Teilnehmer der Gedenkveranstaltung einig.
Foto: Lucas Netter

Dr. Węgrzyn beendete seinen Vortrag mit dem Appell: „Einem Historiker, der ‚von außen‘ kommt, wird ein Zeitzeuge nie alles erzählen; aber einem Lokalhistoriker oder einem Familienmitglied schon. Deswegen: Sprechen Sie mit den alten Leuten und nehmen Sie das Erzählte auf, um die lokale Geschichte festzuhalten. Man kann diese im Internet publizieren oder an Lokalhistoriker weitergeben, die dann bestimmt eine kleine Publikation daraus machen werden.“

Manuela Leibig
Lucas Netter

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